Wieder Freude nach schwerer Zeit

Kita „Neustädter See“ feiert 10. Geburtstag / Erinnerungen an Corona und tödlichen Unfall

Die Kinder und Erzieherinnen der Integrativen Kita „Neustädter See“ haben am Freitag den 10. Geburtstag der Einrichtung gefeiert. Es war das erste Fest nach einer schweren Zeit.

„Du bist die Beste“, sagt ein kleiner Junge und umarmt Cornelia Nethe. Es sind Momente wie diese, für die die Leiterin der Integrativen Kita „Neustädter See“ brennt. Am Freitag konnte die Einrichtung des Paritätischen Netzwerks (Pin) den 10. Geburtstag feiern – das erste große Fest nach einer langen, doppelt schweren Zeit, wie Cornelia Nethe sagt.

Da war zum einen natürlich die Corona-Zeit, die den Kontakt mit den Familien in den vergangenen zwei Jahren sehr einschränkte. Bis heute müssen die Eltern vor der Tür der Einrichtung bleiben, wenn sie ihre Kinder bringen und abholen, erinnert sie. Auch dass das Fest am Vormittag ohne die Familien gefeiert wird, sei den weiterhin geltenden Maßnahmen geschuldet. Aufgrund des fehlenden Personals mussten zudem zeitweise Notgruppen gegründet werden. Der andere Grund wiegt wohl noch schwerer. Im Oktober 2020 kam ein zweijähriger Junge aus der Einrichtung bei einem Ausflug mit seiner Gruppe ums Leben. Er ertrank im nahen Neustädter See. Ein Gericht sprach die drei Erzieherinnen, die die Gruppe begleiteten, der fahrlässigen Tötung für schuldig. Sie hatten ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt, befand der Richter. „Das Unglück wird immer zu unserer Geschichte gehören“, ist sich die Leiterin auch an einem Tag der Freude wie dem Geburtstag der Einrichtung bewusst. Es sei eine schwere Zeit für alle gewesen. „Es ist einfach nicht greifbar“, sagt sie hörbar bewegt. Zwei Wochen war damals das Kriseninterventionsteam vor Ort, um Mitarbeitern und Eltern beizustehen. Einige Kolleginnen seien monatelang in psychologischer Behandlung gewesen, obwohl sie mit dem Unfall gar nichts zu tun hatten. Die Angst gehe heute noch bei jedem Ausflug mit, sagt sie.

Kinderrat plant Programm

Mit dem Fest soll den Kindern nun ein Neustart nach dieser doppelt schweren Zeit ermöglicht werden. Dabei hatten diese bei der Vorbereitung auch das Sagen, wie Cornelia Nethe berichtet: „Unser Kinderrat hat das Fest geplant.“ Aus jeder Gruppe gibt es dort Sprecher, die vorher die Wünsche der Kinder gesammelt haben. Gemeinsam sei dann geschaut worden, was auch tatsächlich möglich. „Dabei lernen sie sowohl zurückzustecken als auch sich durchzusetzen“, sagt sie. Wollen wir eine Hüpfburg oder lieber ein Karussell, war zum Beispiel eine Entscheidung, die es demokratisch zu fällen galt. Die Mehrheit wählte schließlich die Einhorn-Hüpfburg. Auch das passende Werbeplakat und die Geburtstagsdeko für das Haus wurden von den Kindern angefertigt. Mit Unterstützung zahlreicher Eltern, die die einzelnen Stände und Stationen betreuen, wurden die Ideen der Kinder schließlich am Freitag in die Tat umgesetzt. „Für die Hilfe der Eltern bin ich auch sehr dankbar“, sagt die Leiterin. So hätten die Erzieherinnen die Zeit, sich mit den Kindern zu beschäftigen. Unter dem Motto „Märchenhaftes“ gab es zahlreiche Angebote vom Hexenbesenrennen bis zum Bau süßer Pfefferkuchenhäuser. Zuvor hatten die Kinder bereits eine Projektwoche durchgeführt, in der sie sich intensiv mit den Märchen beschäftigten, erzählt die Kita-Leiterin. Zum Auftakt wurde zudem eine neue Attraktion auf dem Außengelände eingeweiht. „Neben einer eigenen Verfassung haben wir nämlich auch ein Beschwerdemanagement“, berichtet Cornelia Nethe. Im Kinderrat wurde kritisiert, dass man „Mensch, ärgere Dich nicht“ nur drinnen spielen kann. Also wurde mit Hilfe einiger Eltern ein großes Spiel an der frischen Luft gebaut, das am Freitag mit dem Steigenlassen Dutzender Ballons eingeweiht wurde.

Die Einrichtung am Brunnenhof war 2012 nach erfolgter Komplettsanierung als I-Kita „Neustädter See“ eröffnet worden. Zuvor gab es an dem Standort im Neubaugebiet zwei separate Einrichtungen, die im Zuge der Modernisierung zusammengelegt wurden. „Zwei fremde Teams mussten zusammenwachsen“, erinnert sich Cornelia Nethe, die damals die Gesamtleitung der neuen Einrichtung übernommen hatte.

Kita-Standort seit 1981

Der Standort selbst ist bereits seit August 1981 fest in Kinderhand, als die Krippe und der Kindergarten „Bördebogen“ ihren Betrieb im neu errichteten Wohngebiet Nord aufnahmen. Kurze Zeit später fing Marina Randau dort als Erzieherin an und ist bis heute dort tätig. „Aber Ende des Jahres ist jetzt Schluss“, sagt sie lachend, bevor sie sich wieder der Bastelei mit den Kindern widmet. Schon damals gab es im Kindergarten spezielle Sprachfördergruppen. Und heute gibt es in den neun Gruppen Kinder mit einer Behinderung oder Kinder, die von einer Behinderung bedroht sind, wie Cornelia Nethe erklärt. Insgesamt werden 195 Kinder betreut.

(Quelle: Volksstimme, 21.05.2022)

 

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