Kurz vor Ostern: Theater in der Oase

Sein letztes Werk nennt Tankred Dorst „Das Blau in der Wand“. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Ursula Ehlert entwirft der im Juni 2017 verstorbene Dramatiker darin die Lebensgeschichte eines Paares, dass sich in einer einzigen langen Szene durch das ganze Leben redet bis in den Tod und darüber hinaus.

Nach der Ur-Aufführung bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen gab es die zweite Inszenierung des Zweipersonenstücks im Turmpark Alt Salbke sowie im Forum Gestaltung Magdeburg zu sehen. Am 17.04.2019 um 19.00 Uhr führen Frederike Walter und Andreas Steinke das Schauspiel im Stadtteiltreff Oase, Pablo-Neruda-Str. 11 auf.

Die Aufführung wird durch das Stadtteilmanagement Kannenstieg / Neustädter See des Internationalen Bundes und den Stadtteiltreff Oase unterstützt. Der Einlass beginnt um 18.30 Uhr und der Eintritt ist kostenfrei.

„Schön, dass es weiter geht“, lautet der erste Satz des Mannes, der sich neben eine Schwangere auf eine Parkbank setzt. Knapper, losgelöster kann ein Gesprächsversuch mit einer Fremden kaum sein und es scheint, als ziehe sich der erste Satz durch das zukünftige gemeinsame Leben der Beiden. In über 30 darauf folgenden Jahren geht es um das Verhältnis von Mann und Frau, ums Scheitern und Missverstehen, ums Reden, Schweigen, Zuhören. Um Liebe als erstes und Liebe als letztes für zwei Möglichkeitsmenschen. Der Mann, gespielt von Andreas Steinke, den die Frau liebevoll Hans nennt, offenbart sich als Schriftsteller und darin als Enthusiast des Wirklichen, der, obgleich Pazifist, um das Leben spüren zu können, ein Land braucht, „wo Krieg ist“, der den Gedanken der Zerstörung schöpferisch und den Tod eine Herausforderung findet. Die Frau, gespielt von Friederike Walter, braucht so was alles zum Glück nicht. Sie schöpft aus sich. Und ist noch bei sich, während er sich selbst und ihr entgleitet. „Das Blau in der Wand“ spielt mit dem Ungewissen. Die Erziehung des Sohnes, dessen Zukunft ungewiss bleibt, Lebenssehnsüchte, Trennungswillen, das gemeinsame Altern und der eigene körperliche Verfall sind die Themen des Ehealltags. Meisterhaft stellt Regisseur Jochen Gehle Figuren in den Raum, die ohne atmosphärischen Aufwand oder psychologische Erklärungen mit ein paar Sätzen Beziehungen, Berührungen, Konflikte, Geschichten schafft. Wobei sich Zeit und Raum wechselseitig aufheben und verdichten, die Zukunft kann von gestern sein und das Ende ein neuer Anfang.

Während Friederike Walter ihren inneren Aufruhr unter der beherrschten Oberfläche nuanciert und sensibel darstellt, hält Andreas Steinke mit einem überzeugendem Spiel den beißenden Sarkasmus und die Anflüge großer Melancholie fesselnd in der Schwebe.

In der kleinen Einheit und Zweiheit betrachtet, sind es Erzählungen scheiternder Utopie, die einen großen historischen Rahmen erahnen lässt. In diesem filigran gezeichneten, bisweilen auch komischen Dialog zwischen Andreas Steinke und Friederike Walter hat das Reden und das Schweigen die Kraft physischer Aktionen. Hier kommt gekonnt zur Sprache und ins Bild, was die Zuschauer vielleicht an sich selbst erfahren haben oder erfahren könnten, was viele Menschen beschäftigt, was aber im Leben, in Unverständnis, Ungeduld und Panik untergeht.

Eine sehr empfehlenswerte Parabel über die Gebrechlichkeit des Lebens und der Liebe.

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