Streit um die Schrote

Befürworter hoffen auf Verbesserung für Fauna und Stadtklima, Kritiker fürchten um Wohnumfeld

Anders als geplant hat der Stadtrat nach einer kontroversen Diskussion noch nicht über die Freilegung der Schrote im Norden der Stadt entschieden. Bei einer Bürgerversammlung soll das Projekt zunächst den Bewohnern des Stadtteils genau vorgestellt und mit ihnen über das Für und Wider gesprochen werden.

Das ist kein Pappenstiel: Für 6,57 Millionen Euro könnte die Schrote auf einer Länge von 900 Metern entlang des Neustädter Sees wieder freigelegt werden. Den größten Brocken der Investition würde mit 5,2 Millionen Euro die Europäische Union übernehmen. 920 000 Euro kämen vom Land Sachsen-Anhalt, den Rest von etwas mehr als 400 000 Euro würde die Stadt übernehmen.

Nur: Möchte die das überhaupt? Eine Vorlage der Verwaltung, das Vorhaben in Angriff zu nehmen und die Fördermittel zu beantragen, war nach einer umfangreichen Diskussion im Magdeburger Stadtrat wieder zurückgezogen worden.

Der Baubeigeordnete Dieter Scheidemann hatte zunächst für das Vorhaben geworben: Nach dem Gesetz sei die Stadt verpflichtet, Gewässer zu erhalten und zu pflegen. „Ökologisch ist das nur möglich mit freien Gewässern“, so der Dezernent. Und auch fürs Stadtklima seien freie Gewässer wichtig. Zwar befindet sich in der Nachbarschaft der Neustädter See, doch ein Fließgewässer verhalte sich völlig anders. Ein fließendes Gewässer, das naturnah gestaltet sei, könne besondere Erholungsräume schaffen, warb der Beigeordnete für das Thema.

So günstig gibt es das nie wieder

Zwar hatte die Stadt auch für andere Stellen den Einsatz der Fördermittel geprüft – doch aufgrund der komplizierten Situation an anderen Stellen kämen die vorerst nicht infrage. „Hier wäre das Vorhaben relativ einfach umsetzbar“, sagte Dieter Scheidemann. Inwiefern für eine Freilegung der Schrote Schlafstätten von Fledermäusen verändert werden müssten, werde geprüft, sagte der Baubeigeordnete auf den Hinweis von Jürgen Canehl von den Bündnisgrünen. Abgewogen werden müsse aber auch der Vorteil für die Bewohner der Fließgewässer.

Deren Unterstützung machte Fraktionschef Olaf Meister deutlich: „Irgendwann wird eine Freilegung der Schrote ohnehin fällig. Und so günstig gibt’s das nie wieder“, sagte er mit Blick auf den hohen Zuschuss durch die EU.

Gegenwind auch von Trümpers Genossen

Und auch die Fraktion CDU/FDP/BfM steht hinter dem Vorschlag. Christdemokrat Frank Schuster sagte: „Der Stadtrat hat beschlossen, solche Flussläufe zu öffnen. Und da die Kanaldeckel mehr als 40 Jahre alt sind, muss da irgendwann eh investiert werden.“ Dies bestätigte Dieter Scheidemann mit Blick auf den Austausch mit dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz.

Gegenwind gab es aus anderen Fraktionen. Und auch die Sozialdemokraten ließen ihren Oberbürgermeister in Sachen Fließgewässer auf dem Trockenen sitzen. SPD-Fraktionschef Jens Rösler sprach von einer ökologischen Mogelpackung, deren Kosten-Nutzen-Faktor fragwürdig sei. Er sagte: „Die Sohle liegt drei bis dreieinhalb Meter tiefer. Man müsste eine 14 Meter breite Schneise anlegen. Das wäre eine Gefahr für die Grünanlage.“ Röslers Fraktionskollege Marko Ehlebe berichtete davon, dass die Schrotefreilegung auch im Ortsverein Nord der Sozialdemokraten diskutiert worden sei – und dort habe es keine Befürworter für das Vorhaben gegeben.

Roland Zander von der Magdeburger Gartenpartei war auch im Viertel unterwegs und konnte während des Vor-Ort-Termins bei den Nachbarn ebenfalls keine Zustimmung ausmachen. Neben der auch von der Gartenpartei formulierten Sorge um Fledermäuse seien die Eingriffe in die Struktur des Viertels erheblich. „Da verschwindet zum Beispiel ein Rodelberg“, so Roland Zander. Bei der Gartenpartei ist sogar von einem Einschnitt von vier Metern ins Gelände die Rede.

Andrea Nowotny aus der Fraktion Die Linke/Future forderte, die Bevölkerung mitzunehmen. Und so soll es denn sein. Als Grund, die Drucksache vorerst zurückzuziehen, nannte Oberbürgermeister Lutz Trümper den Plan, in einer Bürgerversammlung noch im Oktober die Anwohner am Neustädter See darüber zu informieren, was die Freilegung der Schrote dem Viertel bringen kann.

Termin für die Bürgerinformationsveranstaltung zur möglichen Freilegung der Schrote am Neustädter See ist Montag, 22. Oktober, 18 Uhr, im Stadtteiltreff Oase in der Pablo-Neruda-Straße 11.

(Quelle: Volksstimme, 08.10.2018)

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Kommentare: 1
  • #1

    Hans-Diter Karg (Dienstag, 09 Oktober 2018 19:44)

    Als das Wohngebiet Magdeburg Nord, heute Neustädter See und Kannenstieg, geplant wurden, spielte die Schrote eine Rolle. Es gab 2 Möglichkeiten: Grünzug mit der Schrote oder Verrohrung.Es wurde die Verrohrung beschlossen, da man mit Vandalismus, Müll usw. rechnete.
    Der zur Diskussion stehende Vorschlag sieht eine Renaturierung der verrohrten Schrote von der Nordgrenze des Zoo bis zur Endstelle der Straßenbahn vor. Da die Schrote in diesem Bereich ca.3m unter der Geländeoberkante liegt gibt es eine ungefähr 15m breiten Einschnitt. Im Zuge der Baumaßnahme müssen ca. 30 Bäume und Büsche gefällt werden. In den Unterlagen gibt es keine Hinweise zu den Auswirkungen auf das Mikroklima durch die Rodung der Bäume, auf den Parkülatz "Im Steingewände", den Spielplatz "Leuchtturm" und die Straße "Am Seeufer".
    Zur Gewährleitung der Querung der Schrote sind 3 Brücken geplant (Z.Zt. gibt es 4 Möglichkeiten).
    Inwieweit sich das Mikroklima durch geplante Maßnahme verbessert, wird nur behauptet.
    Wenn man sich die Schrote in ihrer ganzen Länge betrachtet, ergibt sich folgendes Bild. Die Quelle liegt westlich des Stadtteiles Diesdorf und ist abhängig vom Niederschlag in dieser Gegend. Nach den Prognosen der Klimatologen und Metereologen wird sich das Klima im Großraum Magdeburg zu noch regenärmeren und heißen Wetter entwickeln. D.h. der jetzt schon teilweise auftretende Wassermangel der Schrote wird sich zukünftig häufiger auftreten und die Schrote wird trockenfallen wie wir es in diesem Sommer sehen konnten. Und ob sich daher die Renaturierung "rechnet", bleibt ein Rätzel

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