Projekt soll Interesse für Pflegeberufe wecken / Siebt- und Achtklässler lernen zwei Schuljahre nah an der Praxis
Wie fühlt es sich eigentlich an, alt zu sein? Das erfahren Schüler der Integrierten Gesamtschule „Regine Hildebrandt“ seit diesem Schuljahr in einem Wahlpflichtkurs zum Thema Altenpflege. Dafür ist ein offizieller Vertrag geschlossen worden.
Niclas geht fast schon schlurfend vor das Publikum, langsam und behäbig. Eigentlich ist er noch Schüler und ein sportlicher Typ. Doch an diesem Tag fällt ihm das Laufen schwer. Er ist an Armen, Beinen und am Oberkörper, ja sogar an den Füßen mit Gewichten ausgestattet, außerdem trägt er Kopfhörer und eine Brille, die ihm die Sicht erschwert, spezielle Handschuhe simulieren zittrige Hände. Geld aus einem Portemonnaie heraus zuzählen wird für ihn unter diesen Umständen zur echten Herausforderung. „So anstrengend hatte ich es mir nicht vorgestellt, alt zu sein“, sagt er nach dem Experiment. Am schlimmsten waren für ihn die Einschränkungen beim Sehen und Hören. Was er dadurch gelernt hat? Verständnis für ältere Menschen. Ziel erreicht, aus Sicht der Organisatoren des Projektes „Care4future“, das an der Integrierten Gesamtschule „Regine Hildebrandt“ gestartet wurde.
In einem Wahlpflichtkurs können Schüler sich intensiv mit dem Thema Alter(n) auseinandersetzen. Sie sollen Verständnis für ältere Menschen entwickeln, wenn es zum Beispiel an der Kasse im Supermarkt mal wieder etwas länger dauert. Doch nicht nur das. Für die Neunt- und Zehntklässler ist der Kurs eine Möglichkeit, den Beruf des Altenpflegers kennenzulernen und sich über Karrieremöglichkeiten in diesem Bereich zu informieren.
Der Beruf des Altenpflegers hat in der Öffentlichkeit einen schweren Stand. Doch es findet ein Wandel statt, sagt Eva Bruder als Geschäftsführerin der Volkssolidarität Habilis GmbH, die einer der Projektpartner ist. Weiterer Projektpartner ist das IWK-Institut für Weiterbildung in der Kranken- und Altenpflege.
Schulleiterin Annette Breitenfeld empfindet den Wahlpflichtkurs so sinnvoll wie keinen anderen. Neben theoretischen und praktischen Einheiten beinhalten die Unterrichtsstunden auch ein zweiwöchiges Praktikum in einer Pflegeeinrichtung.
Die Schüler haben die ersten Unterrichtsstunden bereits absolviert. Und sie sind ebenfalls begeistert. Denn der Unterricht ist weniger theoretisch als üblich. Sie können stattdessen auch vieles ausprobieren und lernen von Azubis, die selbst in der Ausbildung sind, worauf es beim Pflegeberuf ankommt – Lernen auf Augenhöhe. Die Azubis beschreiben ihre Sicht und ihre Motivation für den Beruf. Das sorgt für Authentizität und mehr Akzeptanz. Zum Abschluss erhalten die Schüler ein Zertifikat, das sie für ihre Bewerbungsunterlagen nutzen können.
„Ich arbeite gern mit alten Menschen zusammen“, sagt Fabian Werner, dessen Erwartungen an den Wahlpflichtkurs voll erfüllt wurden. „Ich wollte in den Beruf hineinschauen, und es gefällt mir sehr gut. Vorher wusste ich überhaupt nicht, was ich einmal lernen soll. Nun kommt der Beruf des Altenpflegers für mich infrage“, erzählt René Braun. „Wir machen viele praktische Sachen, man erfährt, wie ältere Menschen klarkommen“, erzählt Jeremie Kuplich. Auch er hat das Selbstexperiment bereits über sich ergehen lassen. „Wenn ich keine Hilfe gehabt hätte, hätte ich wohl die Orientierung verloren.“ Im Hinblick auf die berufliche Orientierung hat er jedoch dazugewonnen.
(Quelle: Volksstimme, 04.11.2015)
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